aus „Das größere Labyrinth ist die Liebe“ von Sor Juana Inés de la Cruz
ARIADNE:
Was ist das, ungerechter Himmel?
Was durchdringt mich da,
dass ich zwar daran leiden,
es aber nicht benennen kann?
Weh mir,
die ich keine Worte finde und doch so vieles spüre!
Tyrannischer Amor, kaum
hörte ich von deinen Pfeilen,
dass schärfer sie nur spitzt,
wer ihnen widerstehen will,
als ich schon sah,
dass du mehr Schaden zufügst als verletzt.
Nein, ich spür‘ ihn nicht, den Stich
durch mein mannhaft-tapferes Herz,
noch deiner geflügelten Harpune,
tückisch dort in deinem Köcher,
feines Gold,
wie es das Karmin meines Blutes überzieht.
Vergeblich will dein Täuschungsspiel
meinen Hochmut überzeugen,
der Triumph bestünde darin
sich vorerst zu ergeben:
in der Unterwerfung
sei neidlos höchstes Glück erfahrbar.
Wohl hingegen spüre ich,
da ich dem edlen Athener
aus meinem freien Willen
Vollmacht und Würde verlieh,
bewirkte ich,
dass ich sterbe für einen, der für mich nicht stirbt.
© 2005